Geprellte Immobilienanleger
Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs hilft geprellten Immobilienanlegern, ihr Geld zurückzufordern

Hellmut Rehm war spontan begeistert. Was der Berater eines Wiesbadener Kapitalanlagevermittlers dem 79-Jährigen auf dem heimischen Sofa erzählte, klang viel versprechend: Durch garantierte Mieten und attraktive Steuervorteile trage sich der Kauf der angepriesenen Wohnung im Düsseldorfer Bahnhofsviertel praktisch von selbst. Der Ex-Direktor unterzeichnete schließlich auch die angebotene Vollfinanzierung durch eine große deutsche Bank. Darlehenshöhe: 545 650 Mark. Doch Jahre später folgte die Ernüchterung: Die versprochenen Mieten blieben aus, per Gutachten stellte sich 2000 heraus, dass die Immobilie allenfalls 352 000 Mark wert war. Doch von Kredit und Wohnung kam Rehm nicht los.

Kein Einzelfall. Hunderttausende überteuerte „Steuersparimmobilien“ haben Strukturvertriebe im Zusammenwirken mit Bauträgern und Banken Anlegern an der Haustür angedreht. Nach Schätzungen des Verbraucherzentralen-Bundesverbands in Berlin liegt die Zahl der geprellten Investoren inzwischen bei rund 300 000, der Schaden bei rund 18 Milliarden Mark.

Leitsätze aus Luxemburg. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) könnte den Investoren nun helfen, die Kredite loszuwerden. Nach der Entscheidung der Luxemburger Richter (Az. C-481/99) müssen Verbraucher die Möglichkeit haben, Kreditverträge zum Immobilienkauf, zu denen sie in ihrer Wohnung überredet wurden, zu widerrufen. „Im besten Fall können die Anleger dann ihr Grundstück einfach der Bank überschreiben und bekämen im Gegenzug sämtliche Raten inklusive Zinsen zurück“, erläutert der Heidelberger Anlegeranwalt Mathias Nittel.

Bis zu diesem Urteil scheiterten Anleger, die ihre Immobilie nach 1991 gekauft hatten, am Verbraucherkreditgesetz. Das in diesem Jahr in Kraft getretene Gesetz schloss den Widerruf für solche Kreditverträge aus, die mit einer Grundschuld gesichert sind. Genau diese Vorschrift, so der EuGH, verstoße gegen EU-Recht.

Gelassene Kreditinstitute. Das Verdikt aus Luxemburg lässt die Banken bis jetzt noch kalt. „Das Urteil bedeutet nicht, dass Kunden jetzt ihre Darlehensverträge widerrufen können!“, so zumindest die Ansicht von Lothar Wand, Jurist bei Bundesverband deutscher Banken. Rückzahlungen im großen Stil werde es nicht geben. Angelika Ziemer, Anwältin bei der Esslinger Kanzlei Hänssler & Häcker-Hollmann, ist da ganz anderer Meinung. „Der EuGH hat eindeutig erklärt, dass das Widerrufsrecht nicht befristet werden dürfe. Die Auslegung gilt daher auch für Altfälle.“

Für Euphorie ist dennoch kein Platz. Betroffene können nur widerrufen, wenn sie nachweisen, dass der Kreditvertrag tatsächlich „an der Haustür“ angebahnt wurde. Das ist immer der Fall, wenn der Vermittler dem Kunden das Investment unaufgefordert zu Hause oder am Arbeitsplatz angeboten hat. Weitere Voraussetzung: Der Kunde wurde weder vom Vermittler persönlich noch im Vertragstext über sein einwöchiges Widerrufsrecht informiert. Weshalb manche Bank noch nachträglich Widerrufsbelehrungen verschickt. „Die sollte der Betroffene auf keinen Fall unterschreiben“, rät Anwältin Ziemer. Weitere Vermittlermasche: Um die Haustürsituation zu umgehen, ließen sie sich häufig – wahrheitswidrig – vom Anleger bescheinigen, sie seien auf dessen ausdrücklichen Wunsch gekommen. Hat der Investor gutmütig gegengezeichnet, kommt er auch mit Hilfe des EuGH kaum noch aus dem Kreditvertrag. Und auch Investoren, die ihr Darlehen inzwischen umgeschuldet haben, sind chancenlos.

Geregelter Rückzug. Einen weiteren Aspekt müssen jetzt deutsche Richter klären: „Der Bundesgerichtshof muss jetzt entscheiden, wie der Kredit bei erfolgreichem Widerruf rückabgewickelt wird“, erklärt Anwältin Ziemer. Bewertet der BGH Immobilienkauf- und Kreditvertrag als wirtschaftliche Einheit, muss sich der Anleger nur an die Bank halten, um sein Geld zurückzubekommen. Andernfalls müsste er beide Verträge gesondert abwickeln. Folge: Der Anleger müsste zunächst vom Bauträger den Kaufpreis zurückholen und könnte erst dann bei der Bank das Darlehen rückgängig machen. Fatal: Ist der Bauträger inzwischen pleite, muss der Anleger dennoch der Bank die Darlehenssumme erstatten. „Da der BGH aber bereits bei Immobilienfonds die wirtschaftliche Einheit mit dem Kreditvertrag bejaht hat, ist zu erwarten, dass er auch bei Immobilien so entscheidet“, denkt Ziemer.

Sicherheitsnetze. Investoren, die der Spruch aus Luxemburg nicht rettet, sind aber auch nicht komplett rechtlos. „Die Chancen, bei Falschberatung Schadensersatz zu bekommen oder dem Würgegriff der Banken zu entrinnen, sind in jüngster Zeit größer geworden“, beobachtet die Göttinger Rechtsanwältin Angelika Jackwerth (siehe Kasten S. 134). Am sichersten sei jedoch, sich selbst durch gründliche Information zu schützen (siehe Kasten unten). Zumal dubiose Vermittler gerade jetzt wieder ihre Köder auswerfen und mit Schutz vor dem Euro oder der Riester-Rente locken.

Politische Pläne. Sich jedoch nur auf Eigeninitiative oder die Justiz zu verlassen hält der Verbraucherzentralen-Bundesverband für unzureichend. „Bei jeder Kaffeefahrt ist der Kunde besser geschützt als beim Kauf einer Immobilie und deren Finanzierung“, schimpft Manfred Westphal, Fachbereichsleiter für Finanzdienstleistungen. Sein Verband fordert daher von der Bundesregierung klare gesetzliche Regelungen für die Vermittlung solcher Investments. Beispiel: Beweiserleichterung für den Anleger und effektive Rechtsaufsicht über die Geschäfte.

Fokus-Money 52/1 2001/02