Damoklesschwert über Banken
BGH urteilt über Kreditverträge und Haustürwiderrufsgesetz

Mannheimer Morgen

Mannheim. Können Bürger, die Kreditverträge zur Finanzierung von Immobilien sozusagen zwischen Tür und Angel abgeschlossen haben, solche Verträge auch Jahre später noch als unzulässiges Haustürgeschäft widerrufen? Antwort auf die Frage wird heute der 11. Senat des Bundesgerichtshofes geben. Die Grundsatzentscheidung wird nicht nur von Tausenden von Immobilienbesitzern, sondern auch von der Kreditwirtschaft mit Spannung erwartet - es geht für beide Seiten um viel Geld.

Auch für Hans und Lieschen Müller (Name von der Redaktion geändert) könnte die Welt ab heute etwas freundlicher aussehen. Das Ehepaar aus Mannheim hatte 1992 in Ludwigshafen eine 310 000 DM teuere Eigentumswohnung erworben. Dem dafür nötigen Kredit liegt ein Vertrag zu Grunde, den die Müllers auf einer privaten Familienfeier unterschrieben haben. Da die Immobilie voll fremdfinanziert ist, summiert sich die Darlehenssumme der Sparkasse Heidelberg auf 360 000 DM. In den vergangenen 10 Jahren haben die Müllers bereits 214 000 DM an Zinsen gezahlt, getilgt werden sollte der Kredit über eine Lebensversicherung.

Der Kreditvertrag wurde widerrufen, denn Müllers Anwalt, der Heidelberger Jurist Kai Spirgath, ist felsenfest der Ansicht, dass auch Kreditverträge, die an der Haustür abgeschlossen werden, von Anfang an nichtig sind. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Spirgaths Meinung am 13. Dezember vergangenen Jahres mit einem Urteil gestärkt. Nach Rechtssprechung des höchsten europäischen Gerichts gilt das Haustürwiderrufsgesetz auch für Kreditverträge.

Schließen sich die Bundesrichter dem Spruch ihrer Kollegen aus Straßburg an - etliche Juristen sind der Auffassung, dass der BGH gar nicht abweichend urteilen kann - könnten auch die Müllers aufatmen. Anstatt- wie es der Tilgungsplan vorsieht - noch zwei Jahrzehnte lang Zinsen zu zahlen, wäre ihr Vertrag unwirksam. Die Banken indes dürfte ein BGH-Urteil im Sinne der Europa-Richter alles andere als freuen. Auf sie würden nicht nur teuere Rückabwicklungen unwirksamer Kreditverträge zukommen, sondern es wären auch entsprechende Rückstellungen nötig. Mit allen negativen Auswirkungen auf die Bilanzen.

MM, 09.04.2002