AWD muss zweiten Anleger entschädigen
Urteil: Haftungsrisiken in Börsenprospekt viel zu niedrig angesetzt?

FRANKFURT, 16. November. Die Klagen geschädigter Anleger beim sogenannten Dreiländerfonds könnten sich für den Finanzdienstleister AWD zu einem echten Problem auswachsen : Am Freitag hat das Landgericht Hannover das Unternehmen zum zweiten Mal zur Entschädigung eines Kunden verurteilt. Die Richter hätten seiner Mandantin den Anspruch auf eine Rückerstattung des vollen Kaufpreises von 52 000 DM zugesprochen, sagte der Heidelberger Rechtsanwalt Kai Spirgath dieser Zeitung. Nach Bekanntwerden der ersten Prozeßniederlage hatte der Aktienkurs deutlich nachgegeben.

Die Frau habe 1995 beim AWD Anteile in dieser Höhe gekauft, um eine Abfindung ihres früheren Arbeitgebers sicher anzulegen, erklärte Spirgath. Das Gericht habe bereits in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass es eine Haftung für schlechte Beratung anerkenne. Denn zum Zeitpunkt des Kaufs seien bereits negative Presseberichte über den Dreiländerfonds "DLF 94/17" einen der größten geschlossenen Immobilienfonds, die in Deutschland je aufgelegt wurden - erschienen. Dessen Hauptmieter, der Stuttgarter Musicalveranstalter "Stella", ist mittlerweile Konkurs gegangen, gegen den Initiator "Kapital Consult" ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Auf die erste Prozeßniederlage hatte AWD noch mit dem Hinweis reagiert, dass eine andere Kammer des Landgerichts kurz zuvor eine ähnliche Klage abgewiesen habe. Deshalb werde das Unternehmen Berufung einlegen (F.A.Z. vom 13. November). Doch nun scheint sich eine überwiegend kritische Haltung der Justiz abzuzeichnen. Ein Sprecher des Finanzdienstleisters hatte gegenüber dieser Zeitung bestätigt, dass derzeit noch acht weitere Prozesse anhängig seien. Insgesamt habe das Unternehmen 14 000 Investoren Beteiligungen für 700 Millionen DM vermittelt.

Damit droht jetzt eine "Altlast" hochzukommen, die den Börsengang des hannoverschen Finanzdienstleisters vor einem Jahr im letzten Moment verzögert hatte.

AWD musste damals seine Zeichnungsfrist verlängern und was ungewöhnlich ist - zweimal einen Nachtrag zu seinem Verkaufsprospekt veröffentlichen, in dem auf genau diese Haftungsrisiken hingewiesen wurde. Diese wurden dort aber lediglich mit 4 Millionen DM veranschlagt (F.A.Z. vom 17. Oktober 2000).

Das Landgericht Hannover stützt sich bei seinen Entscheidungen zulasten von AWD auf ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs. Dieser hatte 1993 geurteilt, dass Kreditinstitute "anlagegerecht" beraten müssten. Anderenfalls müssen sie Schadensersatz zahlen. Zugrunde lag damals der Fall eines Anlegers, der später wertlos gewordene - DM-Anleihen der australischen Bond-Grupp erworben hatte.

F.A.Z. vom 17.11.2001